Ein Beitrag von Marcel Liechti, Gehirntrainer GfG
„Los Kinder, geht doch mal ein bisschen in eurem Zimmer spielen und beschäftigt euch eine Weile für euch selber…“. Die Eltern unter Ihnen werden sich nun wahrscheinlich etwas ertappt fühlen, auch wenn der Wunsch nach ein bisschen Ruhe vor dem eigenen Nachwuchs und dessen Freunden wohl für Jeden verständlich ist. Schließlich haben wir auch Dinge zu tun, die ohne die lieben Kinder einfach viel schneller erledigt sind.
Dass Sie durch dieses angeordnetes Spielen direkt etwas für das Gehirn ihrer Liebsten tun und somit auch die Intelligenz fördern ist den meisten kaum bewusst. Und ich möchte Sie beruhigen: Sie brauchen an dieser Stelle kein schlechtes Gewissen zu haben. Denn im Grunde tun Sie Ihren Kindern damit etwas sehr gutes. Und zwar nicht nur den Kleinen, sondern auch den größeren im Teenager-Alter.
Förderung der geistigen und sozialen Intelligenz
Mit Sicherheit denken viele, dass einfach nur „verspielte“ Zeit den Kindern nichts bringt. Schließlich beschäftigen wir uns in diesen Momenten nicht mit ihnen, wir schenken ihnen keine Aufmerksamkeit und wir fördern sie nicht. Wenn die Kinder toben, können sie vielleicht ein bisschen Energie loswerden, damit sie abends ins Bett fallen und friedlich schlafen. Aber ob spielen hilfreich für die Entwicklung ist? Ja, ist es! Die Forscherwelt hat nämlich herausgefunden, dass insbesondere das freie Spielen (das heißt ohne Ideen oder konkrete Anweisung von Anderen) förderlich für die geistige und soziale Entwicklung des Nachwuchses ist. Sogar die flüssige Intelligenz profitiert vom freien Spiel.
Wo wir gerade schon bei der Intelligenz sind. Intelligenz stellt eigentlich das Nonplusultra da. Ohne Intelligenz kein Erfolg in der Schule, im Studium oder später in der Berufswelt. Ohne soziale Intelligenz würden wir ziemlich alleine dastehen in unserem Leben. Die Intelligenz kann man heutzutage sogar schon bei kleinen Kindern messen. Bei den IQ-Tests kommen trotz aller Schwankungen (z. B. weil man mal einen schlechten Tag erwischt hat) auch wahrheitsgemäße Werte heraus, die eine deutliche Richtung weisen. Die liebenden Eltern möchten die Intelligenz ihrer Kinder und Heranwachsenden natürlich fördern, damit sie auf einem soliden Fundament ihre Zukunft aufbauen können. Und es funktioniert. Die Frage ist nur: Wie?
Ist ein höherer IQ möglich?
Bevor wir auf die Einflüsse von freiem Spiel auf die Intelligenz eingehen, möchte ich Ihnen noch ein paar generelle Forschungsergebnisse zur Intelligenzförderung in Zusammenhang mit Arbeitsgedächtnistraining mitgeben. Es fängt schon bei der Ernährung an. Vor allem die gesunden Omega-3-Fettsäuren sind essentiell für die Intelligenz. Zwar nicht direkt, aber diese wichtigen Fettsäuren bilden sozusagen die Grundlage für die Intelligenz, da das menschliche Gehirn ohne sie gar nicht richtig funktionieren könnte. Außerdem wurde herausgefunden, dass Kindergärten und Kindertagesstätten sehr hilfreich bei der Förderung der Intelligenz sind. Zumindest haben Kinder, die in solchen Einrichtungen einen Teil ihrer Zeit verbringen, einen höheren Intelligenzquotienten als solche, die zu Hause aufwachsen. Auch, wenn Eltern ihren Kindern regelmäßig Geschichten vorlesen, haben diese einen höheren IQ. IQ-Tests eignen sich für die Messung der Steigerung der Intelligenz sehr gut und sind auch im Internet vielfach zu finden, teilweise auch kostenlos.
Gezieltes Gehirntraining & Arbeitsgedächtnistraining
Schließlich gibt es seit einiger Zeit auch gezieltes Gehirntraining, das auch Arbeitsgedächtnistraining beinhaltet. Dieses kann in ziemlich jeder Altersstufe absolviert werden, da viele Übungen zur Steigerung der Gehirnleistung auch auf spielerische Art und Weise gelöst werden können. Die Welt der Wissenschaftler ist sich einig, dass ein gezieltes Gehirntraining deutliche Entwicklungsvorteile in Bezug auf das Gehirn und die Intelligenz bringt. NeuroNation bietet ein solches Trainingsprogramm, das individuell auf die Teilnehmer angepasst wird und somit spielerisch die Intelligenz fördern kann.
Allerdings müssen Sie als Eltern aufpassen. Der Wunsch nach einem intelligenten Kind, das bis zum Abitur mit guten Noten glänzt, ist mehr als verständlich. Aber wie bei fast allem, kann ein Zuviel auch einfach zu viel des Guten sein. Jedes Kind ist individuell, jedes Kind lernt Dinge in einer anderen Geschwindigkeit, jedes Kind ist in einem anderen Maße motiviert und jedes Kind interessiert sich für andere Dinge. Auch die organische Entwicklung des Gehirns läuft nicht bei jedem gleich ab. Und wenn bestimmte Bereiche des Gehirns einfach noch nicht so weit sind, hilft Förderung gar nichts. Wir sollten den Nachwuchs also auf keinen Fall überfordern. In Überforderungssituationen – das kennen wir von uns selbst wohl auch sehr gut – wird schnell resigniert und die Enttäuschung ist groß. So kann Gehirntraining einfach keinen Spaß machen. Und ohne Spaß oder Motivation dürften die Fortschritte sehr gering ausfallen.
Einfluss des Spielens auf kognitive Fähigkeiten
Nun aber zurück zum Spielen… Spielen ist pures Arbeitsgedächtnistraining! Kindern und Jugendlichen, die das nicht ausüben können, entgeht sehr viel. In welche Bereiche das (freie) Spielen einen Einfluss hat, zeigt die folgende Aufzählung:
- Sprache: Es wurde wissenschaftlich belegt, dass bei Kleinkindern durch das Spielen mit Bauklötzen der Spracherwerb gefördert wird.
- Teamfähigkeit: Die soziale Kompetenz der Hilfsbereitschaft wird durch Spielen gefördert. Spielen Kinder nur sehr wenig, werden sie im späteren Leben oft sozial ‚auffällig’. Für ein gemeinsames Spiel sind ein hohes Maß an Kooperation, aber auch konkrete Absprachen, nötig, was die Kinder so auf spielerische Art lernen.
- Kontrafaktisches Denken: Hierunter versteht man die Fähigkeit, über Dinge in der Zukunft und deren Folgen nachzudenken. Eine typische Formulierung bei Kindern hierfür wäre: „Wenn ich mal groß bin, möchte ich Feuerwehrmann werden.“ Vor allem bei Rollenspielen können Kinder die Fähigkeit des kontrafaktischen Denkens ausbauen.
- Problemlösen: Beim Spielen kommt es immer wieder zu Situationen, in denen Probleme auftauchen oder Lösungen gefunden werden müssen. Vor allem bei kreativen Spielzeugen (wie Bauklötzen oder Legosteinen) wird diese Fähigkeit besonders trainiert.
- Mathematisches Denken: Unabhängig vom Intelligenzquotienten wurde beobachtet, dass Kinder, die im Alter von vier Jahren komplexe Gebäude oder ähnliches aus Bauklötzen entwerfen, später in der Schule bessere Leistungen in Mathematik erbringen.
- Ausdrucksweise: Wenn Kinder miteinander spielen, benutzen sie eine verfeinertere Sprache, als wenn sie mit Erwachsenen sprechen. So wird die Fähigkeit zum Ausdruck (Wortschatz, Satzstellung) trainiert.
- Aufmerksamkeit: Wenn Kinder für ein paar Minuten (etwa zehn bis zwanzig) als „Unterrichtspause“ frei spielen dürfen, können sie dem Unterricht aufmerksamer folgen. Sportunterricht erfüllt übrigens nicht denselben Effekt, da hier konkrete Anleitungen und Handlungsaufforderungen gestellt werden.
- Ausgeglichenheit: Leider bisher nur in Tierstudien belegt ist die Tatsache, dass Menschen im Erwachsenalter ausgeglichener und entspannter sind, wenn sie in ihrer Kindheit und Jugend ausgelassen spielen konnten.
- Verminderung von Angst: Wer beim Heranwachsen auf eine riskante Art und Weise spielt, lernt, Stress und Angst abzubauen und ein Gefühl für den eigenen Körper und die eigenen Emotionen zu bekommen.
- Konfliktfähigkeit: Die Erwachsenen, die Konflikte ohne jegliche Form von Gewalt lösen können, haben in ihrer Kindheit wahrscheinlich sehr oft mit Gleichaltrigen gerauft.
- Soziale Kompetenz: Vor allem in Rollenspielen können Kinder und Jugendliche lernen, sozial angemessen mit ihren Mitmenschen umzugehen. Hier können die unterschiedlichsten Verhaltensmuster ausprobiert und auf ihre Wirksamkeit untersucht werden.
- Impulskontrolle: Im Spiel mit Anderen können die Heranwachsenden lernen, Ihre Impulse wahrzunehmen und diese auch zu kontrollieren. Das gleiche gilt für den Umgang mit den eigenen Emotionen. Auch im Spiel kommt es zu Freude, Aggression oder Enttäuschung. Mit diesen Emotionen sozial angemessen umzugehen, bedeutet einen großen Lernerfolg für das spätere Leben.
- Neuronenwachstum: Genau so, wie körperliche Bewegung die Nervenzellen wachsen lässt, geschieht dies auch im freien Spiel, da hier unterschiedlichste Hirnregionen zusammen „arbeiten“ müssen. Vor allem in der Großhirnrinde, im Hippocampus und in der Amygdala wird beim Spielen das Nervenzellwachstum angeregt.
Fazit: Sie sehen also: Sie können Ihre Kinder, egal in welchem Alter sie sind, ruhig mal „wegschicken“ und „sich selbst überlassen“. Ein schlechtes Gewissen wäre hier absolut fehl am Platz. Denn sie haben ja alle etwas davon. Ihr Nachwuchs kann lernen, ohne dass es als nerviges Lernen wahrgenommen wird, und Sie haben mal Zeit, Dinge für sich alleine oder mit Ihrem Partner/ Ihrer Partnerin zu machen, bei denen Ihre Kinder nicht unbedingt dabei sein müssen. Das freie Spiel bedeutet also auch ganz viel Freiheit: Für Sie, und für die geistige Entwicklung Ihrer Sprösslinge, insbesondere des Arbeitsgedächtnisses in Rahmen von Arbeitsgedächtnistraining.