Offizielle Ausschreibung des Seminars am Helsana Gesundheitsforum 2017 vom 1.7 im Kursaal Bern
Geistige Fitness als Jungbrunnen: Ausgleich durch Gedächtnistraining und Bewegung
Marcel Liechti, Master of Mathematics, dipl. Gehirntrainer GfG
Genau wie der Körper lässt sich auch das Gehirn trainieren. Wer geistig fit ist, hat ein schnelleres Aufnahmevermögen, erbringt höhere Lernleistungen und kann Wissen und Erfahrungen für längere Zeit im Gedächtnis verankern. Gehirntraining ist auch das beste Mittel gegen Vergesslichkeit. In diesem Praxisreferat verrät Ihnen der Experte für geistige Fitness, wie Gehirntraining funktioniert und wie sich die Gedächtnisleistung gezielt steigern lässt.
Sehr geehrter Herr Liechti, wir freuen uns Ihnen einige weitere Fragen zu Ihrem interessanten Vortrag
„Geistige Fitness als Jungbrunnen: Ausgleich durch Gedächtnistraining und Bewegung”
stellen zu dürfen.
Helsana: Sie haben empfohlen, dass optimales Gehirntraining per Computer oder auf Papier erfolgen kann. Was ist erfolgsversprechender?
Marcel Liechti: Beide Methoden haben ihre Vorteile. Nicht alle Leute wollen Training am Computer absolvieren. Deshalb haben wir auf unserer Seite Gratisübungen zur Verfügung gestellt. Der Link lautet: https://www.neuronalfit.ch/kostenlose-gehirntraining-uebungen/
Training am Computer sind meistens etwas intensiver. Wichtig ist, dass die Übungen adaptiv sind!
Helsana: Was können Menschen durch kognitives Training erreichen und wer sollte sich damit beschäftigen?
Marcel Liechti: Viele Menschen können durch ein gezieltes kognitives Training bestimmte mentale Funktionen verbessern. Besonders gut trainierbar ist die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, Konzentration, Aufmerksamkeit und räumliches Denken. Vor allem Ältere, die schon leichte Einbußen in diesen Funktionen haben, profitieren vom Training.
Helsana: Welche Übung am Computer halten Sie aus wissenschaftlicher Sicht als besonders wertvoll?
Marcel Liechti: Die Übung muss gezielt wichtige kognitive Funktionen trainieren, und dabei möglichst mehrere zugleich, es muss adaptiv sein, d.h. sich stetig an die Leistung des Probanden anpassen, und es muss Spaß machen. Als besonders positives Beispiel will ich die Übung Blitzblick hervorheben , welches visuelle Suche, Flexibilität, Verarbeitungsgeschwindigkeit und psychomotorische Koordination trainiert. Der Leser kann diese Übung so oft wie er will auf unserer Website trainieren: https://www.neuronalfit.ch/blitzblick/
Helsana: Kennen Sie Leute die das regelmässig tun?
Marcel Liechti: Hie zu kenn ich ein ganz schönes Beispiel. Anlässlich unserer Studie, die wir im Altersheim Rümlang mit beachtlichem Erfolg durchgeführt hatten ( kann hier runtergeladen werden: https://www.neuronalfit.ch/fallstudie1/ ) Gab es eine tüchtige 87-jährige Frau, die die Übung Blitzlicht täglich durchführt
Helsana: Können Sie das noch bitte etwas ausführen.
Marcel Liechti: Gerne. Diese Probandin musste ich zuerst motivieren überhaupt an den Computer zu gehen. Alle Übungen, die wir praktizierten waren auf Papier. Ich zeigte ihr die Übung am Computer sehr behutsam und geduldig. Ich musste ihre Hand zuerst richtig führen. Sie hatte noch nie an einem Computer gearbeitet. Bis sie die Mausbewegung und Cursor im Griff hatte dauerte es recht lang…es gelang schliesslich. Das erste erreichte Score von ihr war 4 Punkte. Sie können es ja selber auf unserer Website durchführen.
Helsana:….wie ging es weiter?
Marcel Liechti: Überraschend gut. Sie erreichte bald mal 6-10 Punkte, was schon beachtlich. war. Dann ging es immer besser. Sie schaltete wirklich den „Turbo“ ein, kein Witz. Es kam dazu, dass ihre Tochter ihr einen Occasions-MAC besorgen konnte. Von Woche zu Woche steigerte sie sich, bis sie mal 25….dann 30 Punkte schaffte. Am Ende der Studie erreichte Sie 43 Punkte. Versuchen sie es selber mal; es ist alles andere als leicht diese Punktzahl zu erreichen. Im direkten Vergleich hatte sie mich ab und zu geschlagen.
Helsana: Gabe es auch einen erkennbaren Effekt?
Marcel Liechti: Natürlich, die Messung mit unserem LIE-KAI-Test ergab klar höhere Punktezahlen. Sie können im oben erwähnten Artikel einiges nachlesen. Die fluide Intelligenz der Frau stieg somit um >45 % . Natürlich waren auch die anderen Übungen dafür verantwortlich. Ihre Tochter sagte zu mir: „ Ihre Mutter sei echt aufgestellt, fast etwas übereifrig geworden, sie sei viel fröhlicher und zufriedener, zeige kaum noch Anzeichen von Depression. Vor allem redet sie wieder mehr mit uns und auch mit anderen Leuten und liest auch wieder viel intensiver. Das ist wirkliche ein Erfolgsgeschichte, in ihrer Tendenz jedoch typisch! Diese Beobachtungen nennt man in der Kognitionspsychologie auch Transfer.
Helsana: Sehr schön. Ist dies ein Einzelfall?
Marcel Liechti: Ganz und gar nicht. Alle Senioren hatten positive Effekte! Lesen Sie die Studie und sie wissen es.
Helsana: Woran forscht die Wissenschaft aktuell bezüglich Gehirntraining?
Marcel Liechti: Es wird zum Beispiel erforscht, welche Funktionen sich insbesondere durch kognitives Training verändern und welche kaum. In Zukunft sollte erforscht werden, welche Trainingskenngrößen, z.B. Art, Intensität und Dauer des Trainings den Erfolg beeinflussen. Speziell von Interesse ist, inwieweit eine Kombination von körperlichem und mentalem Training stärkere Verbesserungen mentaler Funktionen erbringt als nur mentales Training. Das war ja auch Inhalt meines Vortrages und stiess ja auf grosses Interesse.
Helsana: Wo stehen wir in 10 Jahren aus Ihrer Sicht?
Marcel Liechti: Kognitives Training wird weiter verbreitet sein als heute, und v.a. Ältere werden sich mehr PC-basiertem Training zuwenden. Man könnte sich vorstellen, dass Menschen in Seniorenheimen mehr zu vielschichtigem kognitivem Training angeleitet werden, welches über reines Gedächtnistraining hinaus geht. Zugleich würden die Menschen dadurch Erfahrungen mit PCs machen.
Helsana: Was sind die Vorteile für die Gesellschaft?
Marcel Liechti: Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine erwiesenen Methoden, die uns von Anfang an eindeutig sagen können, wie stark ein konkreter Mensch vom Gehirntraining profitieren wird. Die individuellen Unterschiede in der Entwicklung geistiger Fähigkeiten können gewaltig sein und hängen von vielen Variablen ab, sei es die Motivation oder die ursprünglichen kognitiven Fähigkeiten. Obwohl wir wissen, dass Menschen besser in trainierten Aufgaben werden, ist es nicht immer klar, wie viel besser sie dadurch in Aufgaben und Bereichen werden, die sich vom Training unterscheiden.
Helsana: Können Sie das etwas präzisieren?
Marcel Liechti: Es gibt immer noch viele Dinge, die wir über das Gehirntraining nicht wissen, – beispielsweise muss noch untersucht werden, welche Aufgaben zu welchen Transfereffekten führen, wie die ideale Trainingsdauer ist und wie genau die Transfereffekte im realen Leben gemessen werden können. Obwohl immer mehr Studien vielversprechende Ergebnisse liefern, gibt es auch Fälle, die weniger erfolgreich sind. Aus diesem Grund ist es noch schwierig zu sagen, wie die Gesellschaft im Allgemeinen vom Gehirntraining profitieren kann.
Helsana: Wie sehen Sie die Zukunft des Gehirntrainings?
Marcel Liechti: Hoffentlich interessieren sich immer mehr Wissenschaftler für die grundlegenden Mechanismen und die individuellen Unterschiede, um zu verstehen, welches Training für wen am effektivsten ist, und welche Gründe es hierfür gibt. Im Großen und Ganzen sehe ich Gehirntraining als eine Möglichkeit, die Plastizität unseres Gehirns zu erforschen und den Einfluss, den wir darauf haben, auszubauen und zu vertiefen.
Helsana: Herzlichen Dank für das Interview, Herr Marcel Liechti.
Marcel Liechti: Danke, gerne geschehen